Sarah Ament hat 2010, nach ihrem Abitur an dem Robert-Bosch Gymnasium
in Langenau, mit Unterstützung von Claim for Dignity, ein
freiwilliges soziales Jahr in Peru gemacht, und erzählt von ihrer
Motivation, ihren Aufgaben und Erlebnissen.
Warum wolltet du das freiwillige
soziale Jahr machen?
Bei
mir war es ein längerer Weg, aber ich wusste dass ich auch was
Soziales machen wollte, um einen Praxisbezug zu haben, weil wenn man
nach der Schule erstmal im Lernern drin ist, ist das sehr theoretisch.
Ich wollte ein Jahr noch was anderes machen, und ich hab mich dann bei
ganz vielen Organisationen beworben, aber es hat nicht geklappt, und
dann war meine letzte Chance das FSJ von der Schule aus. Ja, und dann
hat es geklappt!
Es gab Vorbereitungsseminare von
der BDKJ. Was habt ihr geler
Es waren
insgesamt 25 Seminartage, 15 davor, 5 mittendrin, und 5 danach.
Die Vorbereitung hatte das Ziel, uns auf die Situation
einzustimmen, die wir vor Ort vorfinden können. Wir haben ziemlich
gut gelernt, selbstständig zu denken, und zu handeln. Wir haben
Extremsituationen besprochen, die im Ausland passieren können, wir
haben uns aber auch ganz mit uns selbst beschäftigt, was uns jetzt
erwartet, warum wir das machen, all die Dinge. Dann haben wir bei einem
Seminar kurz vor der Abreise auch ganz viel mit dem Abflug
beschäftigt, also wie es ist, jetzt ein Jahr weg von zuhause zu
sein, was es bedeutet Abschied zu nehmen, was wir mitnehmen und
hierlassen.
Sarah:
Ja, wir hatten ein Seminar mit einem interkulturellen
Kommunikationstrainer, da ging es um verschiedene Verhaltensweisen, von
verschiedenen Kulturen, auch speziell ein Freiwilligendienst, was es da
für Phasen gibt, es gibt da zum Beispiel eine Schwarzbrotphase,
die jeder wahrscheinlich durchlebt, dass man Deutschland vermisst, und
das gute alte Schwarzbrot...
Also,
dass gute alte Weihnachten hab ich vermisst...
Wir
saßen einmal zusammen auf einer Matratze, in ihrem Zimmer, und
haben uns über ganz viele Sachen unterhalten, ganz viele Orte, die
wir beide kennen, dass Theater, und die Bücherei, den alten
Schulhof.
Auf
dem Seminar am Schluss haben wir festgestellt, dass wir alle die
gleichen, oder ganz ähnliche Erfahrungen haben, obwohl wir alle in
ganz vielen verschiedenen Ländern waren, einer war in Indien,
andere in Kenia.
Wie wurdet ihr
dort aufgenommen?
Am
ersten Tag waren wir zusammen in Judiths Schule und über uns wurde
geredet, und wir saßen im gleichen Raum, und das war ganz
furchtbar. Dann sind wir zu meiner Schule gefahren, was ganz witzig
war, denn es war so typisch peruanisch, die Rektorin war gerade nicht
da, weil sie irgendwie gedacht hatte, dass ich schon einen Tag vorher
komme. Aber dann wurde ich gleich am ersten Tag in allen Klassenzimmern
vorgestellt, und ich wurde vorgestellt als Teil der Familie, und die
Rektorin war so was wie die Mama, manchmal musste sie mit ihren Kindern
schimpfen, und manchmal durfte sie alle loben.
Was habt ihr dort gemacht? Was
waren eure Aufgaben?
Also
bei mir waren manche auch schon 14 oder 15, aber zurückgeblieben.
An meiner Schule war das Besondere, das geistig und körperlich
Behinderte in den Unterricht integriert wurden. Und Englischunterricht
hieß bei Null anfangen, also so was wie: „Head and
sholders, knees and toes“
Hat es euch Spaß gemacht?
Würdet ihr wenn ihr nochmal die Gelegenheit hättet sie wieder
ergreifen?
Ich
würde es auch jedem, der Interesse daran hat, empfehlen. Und jetzt
ist es auch eine krasse Situation, weil wir sind jetzt hier, aber wir
leben in zwei Welten, wir haben ein Jahr lang dort gelebt, jetzt denke
ich ab und zu auf spanisch.
Meint ihr das wirkt sich auf eure
Zukunft aus?
Einfach der Blick auf verschiedene Dinge, auf Kleinigkeiten im Alltag,
hat sich verändert, zum Beispiel dusche ich nicht mehr so lange,
oder ich würde nie wieder in meinem Leben zum Mc Donald gehen. Ich
gehe jetzt auch anders auf Menschen zu, zuerst versuche ich sie zu
verstehen, und nicht immer gleich zu sagen: Ja, der ist voll uncool...
Ich versuche jetzt mehr mit Leuten ins Gespräch zu kommen, oder
offener zu sein.
Was wollt ihr mal beruflich
machen?
Also ich studiere Lehramt Spanisch Deutsch. Ich habe gemerkt, dass es
das ist, was ich machen muss. Klar, gab es manchmal schwierige Zeiten,
aber ich will unterrichten. Gerade ist mein Traum, an eine deutschen
Schule im Ausland zu gehen.
Habt ihr noch
ein Fazit?
Es ist ein Jahr voller Lachen gewesen, ein Jahr voller Tanzen, voller
neue-Leute-Kennenlernen,
wir konnten das Land
kennenlernen. Es war nicht nur ein Jahr, dass wir im Armenviertel
verbracht haben, und Probleme mitbekommen haben, sondern lernt man
tolle Menschen kennen, ich habe Salsa tanzen gelernt, wir sind gereist.
Peru hat unglaubliche Landschaften, eine unglaubliche Geschichte,
Regenwald und Wüste, und Hochland und Strand und Meer, Tiere und
Blumen und nochmal ganz wichtig Musik und Tanzen, und Gemeinschaft.
Das
Zahnputzprojekt
An meiner Schule haben wir auch ein
Zahnputzprojekt entwickelt, denn ich hatte in meiner Freizeit eine
Zahnärztin kennengelernt, die in einer Klinik von einem
US-Amerikaner gearbeitet hat,
und dann hab ich gefragt ob ich nicht mal meine Schüler
vorbeibringen könnte, und sie meinte dann „Ja klar“.
Ich konnte zwar jeden Monat 10 Schüler in die Klinik bringen, und
die wurden dann da kostenlos behandelt. Aber es war schwer, die 10
Kinder mit den schlimmsten Zähnen auszusuchen. Aber das Projekt
bleibt es weiterhin bestehen, denn die neuen Freiwilligen bringen die
Kinder weiterhin zum Zahnarzt, und sie putzen jetzt auch in der Schule
nach jeder Pause ihre Zähne.
Die
Bilderausstellung
Sarah: Es entstand die Idee wir
könnten doch eine Ausstellung machen, von den Kindern, um ein
Schulfrühstück zu ermöglichen.Weil an der Schule, an der
ich war, habe ich Englisch unterrichtet, aber es gab sonst keine
Unterstützung, die aber wichtig gewesen wäre, weil es gab
sehr viele Kinder, die kein Frühstück bekommen haben.
Deswegen konnten sie sich auch schlecht konzentrieren. Und viele haben
dann morgens einen Lutscher zum Frühstück gegessen. Denn die
Kinder bekommen 10 Céntimos (ca. 3 Cent) in die Hand, und dann sollen sie sich
davon was kaufen.
Und deswegen ist dann der Gedanke
entstanden, wir können ja eine Ausstellung machen, mit Bildern von
den Kindern, und dann dachte ich mir, eigentlich könnten wir ja
auch die Geschichten von den Kindern aufschreiben, und ich hab dann mit
den Kindern statt Englischunterricht versucht, ihre Geschichten
aufzuschreiben. Und für mich war das eine ganz bewegende Zeit,
weil ich habe da alles aus einem ganz anderen Blickwinkel gesehen, habe
dann mit Müttern Interviews geführt, und da waren ganz
wahnsinnige Geschichten dabei.
Das hat sich dann weiterentwickelt,
die Kinder haben ganz viele Bilder gemalt. Es war aber auch oft schwer
für die Kinder.
Zum Beispiel ein Fall, ein Junge
schreibt: Meine Mama, mein Papa und ich sind eine sehr glückliche
Familie. Und danach sagt die Lehrerin, dass er dass nicht so schreiben
kann, weil es gelogen ist, und dann kam raus, das das Kind gar keine
Eltern mehr hatte. Weil die in einem kleine Andendorf gewohnt haben,
ziemlich weit weg von der Zivilisation, und die Mutter ist krank
geworden und gestorben, und die Kinder haben eine Woche mit der toten
Mutter im Haus gelebt, und dachten sie schläft, und der Vater
hatte die Familie schon vorher verlassen.
Es war für mich eine sehr
bewegende Zeit, und trotzdem ist etwas so Tolles dabei entstanden.
Und die Ausstellung wurde dann in
Deutschland super aufgenommen, die Bilder wurden entwickelt und auf
große Leinwände geklebt. Und dadurch ist jetzt ein
Schulfrühstück für ein Jahr für meine Schüler
entstanden und es gibt immer traditionelle Gerichte, also mit viel
Getreide, zum Beispiel Milchreis mit Apfel. Weil in Peru ist das
Frühstück flüssig, und warm. Also Getreide mit Zimt und
Nelke mit Milch oder Wasser aufgekocht.
Damit sie was richtiges zu essen
haben, und wissen wie man sich gesund ernährt, weil oft entstehen
auch Sehprobleme durch Fehlernährung.
Und es kam auch vor, dass unsere
Schüler deswegen nichts lesen konnten, und sich dann direkt vor
die Tafel setzen mussten.
Was meine Motivation war: Was du
einmal gelernt hast, kann dir nie wieder jemand wegnehmen. Das ist
nichts Materielles, denn Bildung behältst du dein Leben lang.
Probleme
in Peru
Ja genau, zum Beispiel einer von
meinen Schülern, der eigentlich nach der 6. Klasse auf eine
weiterführende Schule gehen wollte, war es nicht, weil es
geldmäßig nicht möglich war. Und er hatte dann einen
typischen Job, er hat bei einem Schuhmacher gelernt. Hatte bei dem
Schuhmacher ein Bett, und morgens ist er dann aufgestanden hat dort
gearbeitet, und konnte dann abends dort wieder schlafen. Und so geht es
vielen.
Und es gibt auch viele
Tagelöhner, die dann auf dem Bau arbeiten, oder in der Ernte
helfen, dass machen dann auch Frauen, die kein festen Job haben.
Sarah: Was haben wir getan um in
Deutschland geboren zu werden? Nichts eigentlich.
Besonderen
Geschichten und Erinnerungen
Bei mir war es auch so. Ich habe
einmal an einem Tag im Dezember an einem Projekt mitgeholfen:
“Construyendo Peru“ heißt das. Das ist eine Kampagne
vom Bundesministerium für Arbeit, die arbeitslosen Personen, vor
allem Müttern, Arbeit gibt, um wieder in die Arbeit reinzukommen.
Zum Beispiel haben die in meiner Schule Steine herumgetragen, um einen
Abhang abzutragen. Also alles ohne Bagger und so. Sie nahmen sich
Schaufeln, schippten es ab und trugen es auf Säcken nach unten, um
den Hang von Schutt und Asche abzutragen. 
Und da es einfach aussah, dachte ich
mir, das ich ja mitmachen kann, und bin dann mit den Müttern
mitgegangen. Was voll witzig war. Zuerst wollten sie gar nicht, dass
ich auch was mache, weil ich mich da ja schmutzig machen würde,
und ich bin ja blond und weiß, und das geht ja nicht. Aber ich
hab dann einfach ganz normal mitgemacht, und dann fanden die es witzig,
und haben mir Quechua (die Amtssprache) beigebracht. Und ich habe denen
auch was beigebracht, das fanden die total cool. Und dann meinte im
letzten Monat die Mutter, der Schwester, die bei uns an der Schule war,
ich müsste unbedingt zu denen nach Hause kommen, weil ich sonst ja
gar nicht weiß, wo die wohnen, und wenn ich zurückkomme,
kann ich sie ja sonst nicht besuchen. Und wir sind gefahren, und
gefahren, und die Gegend wurde schon immer ärmer und ärmer.
Und dann sind wir einen ganz langen Berg hoch gelaufen, und als wir
ankamen, und reingegangen sind, habe ich meine Tasche unter dem Tisch
abgestellt, und meine Tasche ist umgefallen, denn sie ist in den
Meerschweinchenkäfig reingefallen, denn unter dem Tisch waren ganz
viele Meerschweinchen. Die Familie war zu fünft, und hat nur in
den zwei kleinen Räumen gelebt, und das war dann schon das ganze
Haus. Und sie hatten auch keinen Esstisch, sondern die Mutter saß
in ihrem Bett, und ich hab mich dann zu denen auf das Bett gesetzt, und
es gab auch keinen Fußboden, es war Erde und Staub und
überall sind die Meerschweinchen und Hühner rumgelaufen, und
es waren so viele Fliegen in dem Raum, und es hat auch nicht gut
gerochen. Sie hatten einen kleinen Gasherd und die Mutter hat gekocht,
und wollte unbedingt, dass ich zu denen komme, nur damit ich weiß
wo der ihr Haus steht. Und die hatten selber nichts. Und die wussten
ja, dass ich als Deutsche besser gestellt bin, aber denen ging es
einfach darum mich einzuladen, und das zu teilen.